Multinationale Crew gewinnt WM-Titel der J/22

Am vorletzten Tag der 134. Travemünder Woche fielen vier Entscheidungen: Neben den Ranglisten-Regatten der Kielzugvögel und Korsare waren es vor allem die Titelkämpfe bei den J/22 und Olympiajollen, die die Blicke auf sich zogen. Mit großem Ehrgeiz, noch viele Wettfahrten in die Liste der J/22-Weltmeisterschaft zu bekommen, war die Wettfahrtleitung des Zürcher Yacht-Club (ZYC) in den Tag gestartet. Und es gelangen noch drei weitere Rennen. „Wir wollten gern noch ein viertes starten, aber das Zeitlimit setzte uns Grenzen. Es fehlten nur ein paar Minuten, um eine weitere Wettfahrt starten zu können“, berichtete Lionel Büttner vom ZYC. An der Vergabe des WM-Titels hätte das allerdings nichts geändert, zu überlegen agierte das multinationale Team unter niederländischer Flagge um Jean-Michel Lautier. Den Titel als Europa-Cup-Sieger der Olympiajollen sicherte sich Harry Voss vom Steinhuder Meer.

Bis sie die Siegertrophäe in den Händen halten durften, mussten die neuen J/22-Weltmeister lange warten. Eine Protestverhandlung schob die Siegerehrung in die Warteschleife. Jean-Michel Lautier, Giuseppe D’Aquino und Denis Neves nutzten die Gunst der Stunde. Das Trio tauchte im Segler Village im Marinepool-Store ab, um die 300-Euro-Siegprämie aus dem Trave-Race vom Freitag in Shirts und Shorts umzumünzen. Kurz danach wurden sie von den 26 Crews gefeiert – als Weltmeister. Die Siegercrew selbst schraubte die Zahl der vertretenen Nationen deutlich nach oben. Denn das Trio ist als multinationale Betriebssportgemeinschaft unterwegs.

Skipper Lautier, 47, ist Franzose, Trimmer D’Aquino, 56, ist Italiener, und Vorschiffsmann Neves, 47, ist Portugiese. Aus den Nationen-Kürzeln ergibt sich auch der Bootsname „Fraporita“. Doch damit nicht genug des kosmopolitischen Auftritts. „Wir segeln alle unter holländische Flagge“, erklärte Lautier. Der Hintergrund: Das Trio lebt in Amsterdam und Den Haat, als Ingenieure arbeiten sie alle für die europäische Weltraumorganisation ESA. Früher Konkurrenten, segeln sie jetzt seit zwölf Jahren zusammen. Und das mit Erfolg. WM-Silber 2015 in Travemünde folgte erneut ein zweiter Platz, 2019 dann der Titel in Warnemünde und jetzt erneut Gold. „Die sind richtig gut“, lobt Holger Schmitt. Der Duisburger ist Chef der deutschen Flotte, fühlte sich mit der J-Familie in Travemünde gut aufgehoben: „Ein tolle WM, mit sehr schönen Wettfahrten. Wir kommen gern wieder.“ 2024 geht es aber erst einmal nach Übersee, nach Annapolis an die Chesapeake Bay. Silber ging an die Crew von Jürgen Eiermann (Rastatt), Bronze an Wolf Jeschonnek (Berlin).

Unter dem kräftigen Jubelschrei seiner insgesamt 64 Konkurrenten aus drei Nationen enterte Harry Voss das Sieger-Podest des Europa-Cups der Olympiajollen mit einem satten Sprung nach oben. Der 61-jährige Vertriebsleiter aus Steinhude hatte sich in sechs Wettfahrten durchgesetzt. „Travemünde ist mein Lieblingsrevier. Ich habe hier schon oft gewonnen, aber noch nie eine Meisterschaft. Der EM-Titel ist mein bislang größter Erfolg. Ein Meistertitel ist immer etwas Besonderes“, sagte er. Beim Schaumburg-Lippischen Seglerverein am Steinhuder Meer habe er alles gelernt. „Deshalb kommt der Pokal auch in die Vereinsvitrine. Er ist für alle.“ Auch die beiden weiteren Podiumsplätze wurden von Deutschen besetzt. Frank Hänsgen (Quenzsee) und Alexander Kulik (Kirchmöser) freuten sich über Silber und Bronze. Die erfolgsverwöhnten Niederländer mussten sich diesmal mit der Verfolgerrolle zufrieden geben. Thies Bosch landete als beste „Oranje“ auf Rang vier.

Travemünder Woche Regatta und Festival
,Die Schwestern Silja und jonna Braun nutzten die Leichtwind-Bedingungen vor Travemünde zum ersten großen Sieg bei den Korsaren. Foto: segel-bilder.de

Schwestern-Power bestimmte das Geschehen bei den Korsaren. Silja (23) und Jonna (17) Braun beherrschten die Konkurrenz der Ranglisten-Regatta fast nach Belieben. Nach sieben Wettfahrten hatten sie sechs Siege eingefahren und mussten einen dritten platz streichen. „Wir haben nicht erwartet, dass es so gut wird. Es waren genau unsere Windbedingungen, fast ein bisschen wie zu Hause in Steinhude“, berichtete das Duo. Es ist der erste gemeinsame Erfolg im Korsar. Vorschoterin Jonna Braum segelt erst seit rund einem Jahr in der Klasse. Als Schwestern zusammen Regatten zu segeln, sei besser als gedacht, finden sie. „Man streitet sich weniger als befürchtet, weniger als an Land“, sagten sie und lachten. Auch wenn in Travemünde sonst keine jüngeren Aktiven im Korsar am Start waren, wäre es dennoch durchaus eine junge Klasse. „Es gibt viel Nachwuchs bei den Korsaren, aber die meisten trauen sich nicht an die großen Reviere wie die Ostsee ran“, erklärt Steuerfrau Silja, die mit ihrer Schwester durch den Vater zum Korsar-Segeln gekommen ist.

Im Kielzugvogel reichte die Dominanz von Michael Hotho/Marcus Hahn fast an die der Korsar-Siegerinnen heran. Die Segel-Kombination vom Steinhuder Meer und Bodensee hatte nach der beeindruckenden Serie von fünf Siegen in acht Wettfahrten einen satten Elf-Punkte-Vorsprung vor Oliver und Katja Babik (Hattingen). Auf Rang drei schoben sich noch Herbert und Elisabeth Kujan vom Forggensee, obwohl sie die ersten beiden Wettfahrten der Serie nicht mitsegeln konnten.

Nach der Langstrecken-Regatta durch die Nacht von Donnerstag auf Freitag hatten die Seesegler am Sonnabend ein weiteres hartes Stück vor der Brust: Mit der Mittelstrecken-Regatta schickte Seebahn-Wettfahrtleiter Jan Fischer die kleine Flotte der Zwei-Personen-Crews im Rahmen der Deutschen Meisterschaft Double Handed sowie die Yachten mit voller Crew auf einen 40 bzw. 45 Seemeilen langen Kurs durch die Lübecker Bucht. Der flaue Wind am Morgen sorgte dabei schon für eine Startverzögerung, und auch danach ging es gemächlich zu. Erst um 17:35 Uhr war die erste Yacht im Ziel. Bis zur Ankunft aller Crews zog es sich noch bis in den späten Abend hinein.

Für schöne Segelbilder in Zuschauernähe vor dem Strand sorgten die beiden Segelbundesligen. Nachdem es im schwachen Wind am Freitag zäh anlief, lieferten die J/70 der insgesamt 36 Clubmannschaften aus ganz Deutschland am Sonnabend fast 30 Kurzrennen für die Segelinteressierten und die eigene Position bei diesem Liga-Event. In der Ersten Liga hat der Rekordsieger der Bundesliga, der NRV Hamburg, mit dem ehemaligen Olympiasegler Tobias Schadewaldt die Führung inne. Die Crew ist damit nach einem schwächeren Auftritt in der Sailing Champions League zum Auftakt der Travemünder Woche wieder auf den Erfolgskurs eingeschwenkt. Erster Verfolger ist der VSaW Berlin vor dem Champions-League-Finalisten SMC Überlingen. In der Zweiten Liga brachte sich der Bayerische Yacht-Club mit einem Sieg in der letzten Tageswettfahrt in die Top-Position vor dem Joersfelder SC aus Berlin und den Hamburgern vom Blankeneser SC.

Travemünder Woche Regatta und Festival
Unter dem Jubel der Konkurrenten konnte sich Harry Voss zum neuen Europa-Cup-Sieger der Olympiajollen feiern lassen. Es ist der größte Erfolg des Seglers vom Steinhuder Meer. Foto: segel-bilder.de
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