Insgesamt 35 Aktive aus den USA, Australien und Europa segeln bei der 135. Travemünder Woche noch bis zum 27. Juli um den WM-Titel sowie im Team-Wettbewerb um die New York Canoe Club Challenge Trophy, die wohl zweitälteste Trophäe im Segelsport. Der erste Tag der WM startete etwas holprig für die Klasse und brachte viel Materialbruch.
Die Ursprünge der IC-Klasse gehen in die 1860er-Jahre zurück. Damals bestückte der schottische Reiseschriftsteller John MacGregor sein Kajak mit einem Rigg, paddelte und segelte mit seinem „Rob Roy“ genannten Gefährt über die Flüsse und Seen Europas. MacGregor gründete später den weltweit ersten Kanusportverein und gilt als der Urvater des Kanusports. Von Europa schwappte die Idee des segelnden Kanus in die USA hinüber. Am Lake George im Staate New York gründete sich 1880 der amerikanische Kanuverband.
Zu den Events kamen auch Kanadier, und aus den Ereignissen für Touren-Kanuten wurden Wettbewerbe, in denen sich die Sportler im Paddeln und Segeln beweisen mussten. Diese ersten Wettbewerbe mündeten schließlich 1886 in einem Nationen-Wettkampf um die New York Canoe Club Challenge Trophy. Die Segler traten in segelnden Kanus gegeneinander an. Die Regeln legten fest, dass eine erneute Austragung um diese Trophy im Land des Titelverteidigers gegen eine Herausforderer-Nation gesegelt wurde.
Bis 1914 konnten die USA den Cup verteidigen, dann ging er nach England. Seitdem wandert er zwischen England und den USA hin und her. Nur jeweils einmal konnten sich Schweden (1974) und Australien (2008) den Pott schnappen. Deutschland konnte sich die silberne „Kanne“ bislang nie sichern. In Travemünde rückt die begehrte Trophäe jedoch in greifbare Nähe für die Deutschen. „Ich sehe eine gewisse Chance, dass sich die Deutschen den Cup sichern“, hofft WM-Teilnehmer Peter Ullmann (Zwischenahn), der bereits seit 38 Jahren der International-Canoe-Klasse treu ist.
Eine zweiten und zwei vierte Plätze konnte Ullmann bereits bei IC-Weltmeisterschaften verbuchen. „Vorne mitmischen“ lautet sein Ziel bei der WM in Travemünde. Am ersten Wettfahrttag musste Ullmann wie viele seine Mitstreiter windbedingt etwas Bruch hinnehmen. An seinem Boot hatte es den Mast erwischt, der ersetzt werden musste. Das Boot wieder flott für die Rennen zu machen, war für viele der WM-Teilnehmenden am Nachmittag die Aufgabe, da etliche nach dem ersten Startversuch Schäden zu verzeichnen hatten.
„Spaß am Basteln ist in der Klasse von Vorteil“, hatte Peter Ullmann bereits am Vortag in Bezug auf die Konstruktionsklasse und die damit verbundenen individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des Bootes gesagt. Festgelegt in den Vorschriften sind bestimmte Maße, zum Beispiel für Rumpfbreite und -länge, die Masthöhe, ein Mindestgewicht von 50 Kilogramm ohne Segel, die Länge des Ausreitbalkens sowie eine Segelfläche von zehn Quadratmetern. Außerhalb dieser Vorschriften, der sogenannten Boxrule, können die Aktiven individuelle Umbauten übernehmen. Wer gerne an seinem International Canoe baut, ist also in der Klasse richtig und war nach dem heutigen Tag klar im Vorteil.
„Ideal sind für unsere Klasse vier bis fünf Windstärken, damit man schön ins Gleiten kommt. Ab sechs Windstärken wird es schwierig. Das Schlimmste ist aber eigentlich Flaute. Dann wird es schnell zum Balanceakt“, beschreibt Ullmann das Bootsverhalten bei verschiedenen Windverhältnissen. Damit das Boot weniger in der Welle stampft, werden seit einiger Zeit Foils am Ruder eingesetzt. Auch Ullmann verfügt darüber und ist gespannt, wie gut es funktioniert und ob sich die Technik langfristig durchsetzt. Ihn begeistert auch nach vielen Jahren noch die Schnelligkeit der Boote. Das Handling sei selbst für erfahrene IC-Segler komplex. Viel Training sei erforderlich. „Aber wenn man einmal International Canoe gesegelt ist, dann segelt man nichts anderes mehr. Obwohl man auch als langjähriger IC-Segler durchaus immer noch mal baden geht beim Segeln. Nass werden gehört in der Bootsklasse dazu“, so Ullmann.
Inzwischen wird die Trophy im Rahmen der Weltmeisterschaft ausgetragen. Vor Travemünde wird die Trophäe in ihrer 138-jährigen Geschichte zum 30. Mal vergeben. Die Briten sind als Titelverteidiger für das Rennen gesetzt, der Herausforderer muss noch ermittelt werden. Alle vertretenen Nationen der International Canoe haben die Chance, sich an den ersten WM-Tagen in einer Team-Wertung für das Duell mit Großbritannien zu empfehlen, sofern mindestens drei Starter der Nation gemeldet sind. Beim Aussegeln des Cups gehen jeweils drei Boote in die Regatta über maximal drei Wettfahrten. Nur der Sieger punktet. Und das Team mit zwei Punkten gewinnt. Die New York Canoe Club Challenge Trophy soll zur Travemünder Woche auf dem Media Race Course dicht unter Land gesegelt werden, sodass die Wettfahrten von den Zuschauenden zu sehen sind.
Dass im Rahmen der 135. Travemünder Woche überhaupt eine klassenkonforme Weltmeisterschaft der Klasse International Canoe ausgetragen wird, ist einem Mann zu verdanken: Geoffrey Carne (Jervis Bay Sailing Club) aus Australien. Durch seine Teilnahme ist die erforderliche Anzahl von Kontinenten erreicht worden.
Für den Australier aus Jervis Bay, das rund zwei Autostunden südlich von Sydney an der Küste liegt, ist es der erste Aufenthalt in Deutschland. Gerne wären er und seine Frau vor oder nach der WM noch ein wenig durch Europa gereist, berufsbedingt blieb aber nur eine Woche vorab Zeit für Sightseeing. Die wenigen Tage hat das Paar effizient genutzt. „Wir haben jeweils ein paar Tage Berlin, Hamburg und Kopenhagen besucht. Das hat uns gut gefallen“, sagt er.
Für die Weltmeisterschaft hat sich der Australier ein Boot mit dem Namen „Donnerwetter“ geliehen. Seine eigenen Segel und den Baum hat er aus Down Under mitgebracht. „Zu Hause segele ich ein Boot des neusten Designs. Hier trete ich mit einer Kombination aus meinem eigenen Material und einem geliehenen Boot an. Mit meinem IC würde ich mich bei der WM unter den ersten Fünf sehen. Mit dem Leihboot freue ich mich, wenn ich eine Platzierung in der vorderen Hälfte des Feldes erreiche“, erklärt Carne, der seit 16 Jahren International Canoe segelt.
Nur das Wetter könnte gerne noch etwas besser werden, hofft er. Aktuell würde es ihn sehr an den australischen Winter erinnern. Mit einem Grinsen fügt er hinzu: „Als gestern 26 Grad waren, fanden es alle anderen viel zu heiß, und ich dachte: Es ist okay, aber nicht gerade sommerlich.“ An der Klasse International Canoe gefällt ihm die direkte Nähe zum Wasser, die durch die Bootskonstruktion deutlich größer ist als bei anderen Jollen. „Ich komme ursprünglich vom Windsurfen. Das Segeln im IC fühlt sich sehr ähnlich an, finde ich. Man hat viel Wasserkontakt. Selbst der beste International-Canoe-Segler fällt mal rein“, sagt auch Carne.